Véra

VÉRA NABOKOVA

 

Wann sich Vladimir Nabokov und Véra Slonim wirklich kennengelernt haben, wird im Dunkel der Geschichte bleiben. Sie haben sich mit Sicherheit schon vor dem 8. oder 9. Mai 1923 gesehen. Beide wollten sich nie verbindlich dazu äußern. Der Termin der Eheschließung steht jedenfalls fest.

Aus Th. Urban [1]:

Am 15. April heirateten sie im Rathaus Wilmersdorf. Sie mussten eine geringe Amtsgebühr bezahlen, es war alles, was sie damals hatten. Eine Feier gab es nicht. Zwei Bekannte von Vera stellten sich als Trauzeugen zur Verfügung, darunter ein »echter Deutscher«. Ihren Eltern teilte Vera die Eheschließung eher beiläufig beim Abendessen mit.

Seiner Mutter hatte Nabokov zuvor bei einem Besuch in Prag von seinen Heiratsplänen erzählt. Sie äußerte keine Einwände gegen die Ehe ihres ältesten Sohnes mit einer Jüdin, allerdings wurde Nabokov von antisemitischen russischen Monarchisten deshalb angefeindet. Eine adlige Bekannte sagte später über ihn, er sei seit seiner Hochzeit »verjudet«. Mit seinem jüdischen Schwiegervater fand er schnell eine gemeinsame Sprache. Kurz nach der Hochzeit schrieb er an seine Mutter nach Prag: »Er versteht so gut, dass für mich das wichtigste Ding im Leben und das einzige, was ich tun kann, das Schreiben ist.«

Vera blieb das nächste halbe Jahrhundert nicht nur Nabokovs Ehefrau, Lebensgefährtin und Seelenfreundin, sondern auch seine Sekretärin, Korrektorin, Kritikerin, Stichwortgeberin und nicht zuletzt Muse für fast alles, was er schrieb. Manche Literaturwissenschaftler wollen wissen, dass durch ihren Einfluss sein Werk erst die Qualität erlangte, die ihn zu einem der großen Autoren des Jahrhunderts machte. Es ist bekannt, dass Nabokov nicht nur Veras Genauigkeit und ihr Organisationstalent schätzte, sondern auch ihren Humor: »Sie hat das beste Gefühl für Humor, das ich je bei einer Frau kennengelernt habe.« Zeitgenossen berichteten aber auch, Nabokov habe niemanden so sehr gefürchtet wie seine Ehefrau. Eine Bekannte, die allerdings mit beiden zerstritten war, hielt fest, Vera sei so etwas wie die Rolle eines bösen Geistes in seinem Leben zugekommen, der ihn beispielsweise mit alten Freunden entzweit habe.

Ob dies nur neidisches Geschwätz war oder ob dieses Verdikt einen realen Hintergrund hatte - fest steht, dass Vera Nabokova all das für ihren Mann tat, was heutzutage eine Managerin und Literaturagentin tun würde. Sie, die ausgezeichnet deutsch sprach, erledigte nicht nur die lästigen Behördengänge, sondern war auch an Verhandlungen mit dem Ullstein-Verlag beteiligt.

(Zitat Ende).

Auch später in den USA  war Véra Vladimirs engste Mitarbeiterin. Sie unterstützte ihn bei den Vorlesungen und hielt Sprechstunden mit den Studenten für ihn ab. Sie verhandelte mit den Verlagen. Selbst bei der Schmetterlingsleidenschaft wetteiferte Véra mit ihrem Mann.[2]



[1] Th. Urban, Vladimir Nabokov, Berlin 1999, S. 74-76
[2] nachzulesen bei: Stacy Schiff, Véra, New York 1999

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